20. Juli 2012
Während du schliefst und ein etwas anderes Verständnis von Gerechtigkeit
Heute Nacht um 2 Uhr – und wir schliefen tief und fest – war auf der Straße vor unserm Compound wohl einiges los. Ein Autofahrer hat mit einem neuen Landcruiser ca. 500 m die Straße aufwärts wohl ein Kind tödlich überfahren. Das lassen die Leute hier nicht einfach so auf sich beruhen oder von der Polizei regeln. Selbstjustiz! Man scheint schnell genug hinter dem Auto her gewesen zu sein. Vielleicht wurde es beim Aufprall auch beschädigt und konnte nicht flüchten – denn das tut man hier üblicherweise nach so einem Zusammenstoß, von wegen 1. Hilfe und so … 500 m auf der anderen Seite von unserm Compound jedenfalls hatte dieser Unfall seinen tragische Fortsetzung. Das Auto wurde in Brand gesteckt und heute Mittag, als wir schnell in die Stadt fuhren, war davon nicht mehr viel übrig. Man hat sich wohl noch reichlich bedient, an dem, was vom Landcruiser übrig blieb…
Von einem anderen Fall von Selbstjustiz berichteten uns Freunde, die dieser Tage von ihrem Gemeindebesuch im Busch zurückgekehrt sind. Ich erzählte die Begebenheit vorgestern bereits in einem Mail an eine Freundin:
Wir haben grad mal wieder Stromausfall. Anscheinend bricht wieder mal so eine Phase an, nachdem wir jetzt einige Zeit keine Probleme hatten. Gestern gings los mit einem Candlelight Dinner. Wir hatten die Stamms zu Gast und ihren Liebenzeller Praktikanten. Sie waren 10 Tage im „Busch“ und haben bewegende Stories mitgebracht. Leider eher traurige. Die Christen sind lau geworden, die Dorfbevölkerung sieht nur das Business mit dem Gold und schützt entsprechend die Übeltäter. Die Stammst hatten eine Frau mit Kleinkind bei sich im Kanu die aus dem Goldcamp rauswollte, wo ihr Mann sie geparkt hatte für diverse Befriedigungen, wenn er da ist. Sie wollte mit zurück ins sichere Dorf. Nun begegnen sich zwei Kanus und der Mann erkennt, dass seine Frau dabei ist, wendet sein Kanu, fährt dicht bei und versucht sie mit einem stumpfen Gegenstand von hinten umzubringen. Die Frau duckt sich, rettet sich so. Und alle im Kanu schweigen. Gerhard ist auf 180 und fast zu allem bereit…
Zurück im Dorf zieht jeder den Kopf ein. Grund für eine letzte Predigt und harte Abschiedsworte.
Und dabei war vor 10 Tagen noch eine verheißungsvolle Testlandung auf dem Airstrip geschehen mit Perspektive für eine schnelle Wiedereröffnung der Piste. Und was macht das Dorf? Hält gemeinsam Rat und bereitet ein SingSing für die Wiedereröffnung vor anstatt ihre sozialen Probleme zu lösen. Denn wer profitiert denn vom Flugzeug? Zuallererst wohl dieser neureiche Messerstecher, vor dem und seiner Gang sich jeder fürchtet… – Verstehe einer die Leute im Busch…
Gerhard will auf alle Fälle einen Polizeireport verfassen. Aber wie die Gerichte hier mit so was umgehen, steht noch mal auf einem andern Blatt Papier. Hier kann man sich nämlich freikaufen, selbst als Mörder… Gleiches gilt auf für Politiker; wenn da einer Dreck am Stecken hatte, im Knast war für was auch immer, kann er sich bei der nächsten Wahl wieder aufstellen und neu ins Amt einziehen… In Deutschland undenkbar!
So bin ich auch gespannt, ob ich Berthlen das nächste mal im Frauengefängnis wiedersehen werde. Sie ist seit Ende Mai in Wewak im Gefängnis. Letzte Woche hat sie angedeutet, dass ihre Gerichtsverhandlung ansteht. Sie hat die Zweitfrau oder Geliebte ihres Mannes mit dem Messer erstochen. Ganz klar: Mord. Aber hierzulande eben möglich, dass das Gericht die Regierungskasse aufbessert und eine entsprechende Geldstrafe verhängt, die dann die Angehörigen oder wer auch immer aufbringen müssen. So werden hierzulande viele Kriminelle immer wieder gedeckt und freigekauft und ein Verständnis von gerichtlicher Gerechtigkeit kommt gar nicht erst auf. Was lernen also die Jungen von den Alten?
Jaqueline wartet seit über zwei Jahren auf eine Gerichtsverhandlung. Ihre Geschichte ist dem Gericht zu abwegig, dass sie ihr nicht glauben und nicht wissen, wie sie mit ihr umgehen: Sie erzählte, dass sie einen Big Man, also einen angesehenen Mann, in einen Hinterhalt gelockt und umgebracht hat. Das Gericht verlangt von ihr, dass sie den wahren Mörder benennt. Da fühlt sich jemand schuldig, bekennt, wartet auf eine gerechte Verhandlung und Strafe und wird doch im Ungewissen gelassen.
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