23. März 2022

Ein Leben im Gebet – Die tägliche Arbeit einer Ärztin in PNG

Den Tag mit Gebet beginnen

Die Montagmorgensonne scheint hell, als ich mein Haus verlasse. Die Luft ist noch frisch vom Regen, der über Nacht gefallen ist, und meine Schuhe sind durchgeweicht als ich das Krankenhaus erreiche. Während der Regenzeit bekommt der Boden nicht wirklich genug Zeit, um zwischen den Nachmittagsregen zu trocknen. 

Wir beginnen unseren Tag damit, Lieder zu singen und den Gott zu preisen, der uns alle gemacht hat, der diese Erde gemacht hat und der uns jeden Tag Kraft gibt, unsere Arbeit zu tun. Unser Krankenhauspastor erzählt einige Gedanken zu einem Vers aus Matthäus 7 mit: “Bitte und es wird dir gegeben, suche und du wirst finden, klopfe und es wird geöffnet.” Wir werden daran erinnert, immer wieder zu bitten und zu beten. Unser Gott hört und wird uns geben, was wir brauchen.

Erfrischt von der Andacht schlendere ich hinunter zur Station. Während ich noch über die Worte des Pastors nachdenke und stelle ich beschämend fest, dass ich nicht beharrlich bete. Ich gebe schnell auf, weil ich zu dem Schluss komme, dass Gott andere Pläne haben muss. Ich danke Gott heute für sein Wort und dafür, dass er mir neue Impulse für mein Gebetsleben gegeben hat.

Morgenvisite – Eine Patientin mit Asthma

Als ich auf die Station komme, sind die meisten Mitarbeiter schon da. Wir machen ein paar „tok saves“, das sind allgemeine Informationen und beginnen die Visite.

Über Nacht kam eine neue Patientin. Sie ist älter und bereits bekannt für Asthma und Atembeschwerden. Erste Ergebnisse zeigen, dass sie wahrscheinlich eine Lungenentzündung hat, die ihr Asthma verschlimmert. Über Nacht bekam sie Sauerstoff, Antibiotika und Pufferspray und es sieht schon viel besser aus als bei der Aufnahme. Sie sieht sehr dünn aus und es gibt keine Atemgeräusche auf der linken Seite ihrer Brust, also entscheiden wir uns für eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs um sicherzustellen, dass nichts anderes vor sich geht.

Visite im Krankenhaus in Kompiam

Herausforderungen bei der Behandlung von TB-Patienten

Wir sehen Felix*, der seit etwa einem Jahr beide Beine nicht mehr richtig bewegen kann, wahrscheinlich aufgrund von Nervenschäden durch eine Kombination aus HIV und Tuberkulose (TB) seiner Wirbelsäule. Er hat mit einer HIV- und TB-Behandlung begonnen und wir sind ermutigt zu sehen, dass sich seine Kraft tatsächlich langsam verbessert.

Dann ist da noch Jenny*, sie hat auch TB, um ihr Herz herum, aber die TB-Medikamente bereiten ihr schreckliche Bauchschmerzen und sie will sie nicht nehmen. Wir haben lange mit ihr darüber gesprochen, dass sie sterben wird, wenn sie die Medikamente nicht nimmt. Sie beschließt, es noch einmal zu versuchen, während wir versuchen, aus der Komponenten der vier TB-Tabletten diejenige zu isolieren, die so krank macht. Dies wird eine schwierige Aufgabe, da nur sehr begrenzt alternative Medikamente verfügbar sind.

Mit Einschränkungen konfrontiert

Unsere Visite ist fast abgeschlossen. Für einige Patienten gibt es wenig, was wir tun können. Lebererkrankungen im Endstadium aufgrund einer chronischen Hepatitis sind weit verbreitet, und die Menschen leiden schrecklich unter dem Gewicht an Flüssigkeit, das sie in ihrem Unterleib tragen. Dann gibt es verschiedene Krebspatienten. Oft nehmen die Menschen leichte Symptome in Kauf oder haben einfach keine Möglichkeit, sich untersuchen zu lassen, und wir sehen sie oft erst dann, wenn kaum eine Behandlung möglich ist. Daher können wir ihnen nur Komfortpflege anbieten. Eine Überweisung zum Spezialisten ist keine Option. Port Moresby kommt mit dem eigenen Andrang kaum zurecht und Menschen vom Land werden selten bevorzugt.

Auf der Kinderstation

Die Kinderstation ist ziemlich ruhig. Ein lächelnder Junge begrüßt uns. Er wurde vor zwei Wochen eingeliefert; sein Vater hatte ihn zwei lange Tage durch den Dschungel getragen, um das Krankenhaus zu erreichen. Dem Bub war ständig unwohl und er konnte aufgrund einer Knochenentzündung in seinem linken Bein nicht gehen. Nachdem wir das infizierte Gewebe entfernt haben, bekommt er Antibiotika, die er noch sechs Wochen lang einnehmen muss. Jetzt kann er wieder laufen und freut sich auf die Heimreise. Es gibt jedoch keinen Gesundheitsposten oder eine Dorfklinik in der Nähe seines Hauses, um seine Wunde weiter zu verbinden, also muss er bleiben, bis seine Wunde trocken ist, was wahrscheinlich noch mindestens zwei Wochen dauern wird.

Mittagspause und lange Warteschlangen

Als ich das Krankenhaus für meine Mittagspause verlasse, warten bereits viele weitere Patienten vor dem Praxiszimmer des Arztes. Hier in PNG gibt es keine Sprechstundentermine oder Voranmeldungen. Du tauchst auf, wenn du ankommst und wartest, bis du gesehen wirst. So einfach ist das. 

Ich halte meine Pause kurz und gehe zurück zu der Krankenschwester, die heute Nachmittag für mich übersetzt. Wir werden etwas früher mit der Klinik beginnen, damit hoffentlich alle gesehen werden können.

Ein glückliche Mutter mit ihrem neugeborenen Baby

Auf der Geburtsstation

Meine Sprechstunde beginnt mit einer Reihe von schwangeren Frauen. Es ist sehr ermutigend zu sehen, wie sich neues Leben im Bauch einer Frau entwickelt, und es gibt mir das Gefühl, dass es Hoffnung gibt. Für die Frauen in PNG ist eine Schwangerschaft jedoch manchmal mit viel Angst und Traurigkeit verbunden. Noch immer sterben viele Frauen bei der Geburt, was durch eine überwachte Entbindung in einem Krankenhaus hätte verhindert werden können. Und fast alle Frauen haben bereits ein oder mehrere Babys verloren, oft innerhalb des ersten Monats oder Jahres nach der Geburt. Ein Baby zu bekommen ist hierzulande nicht die freudige Erfahrung, die es sein sollte. Die Frauen hier erleben ihre Schwangerschaft aufgrund der vielen traumatischen Erfahrungen oft mit Vorbehalt und halten sich oft distanziert zu dem neuen Leben, dass in ihnen wächst.

Während ich das neue Leben medizinisch begutachte und der Mutter mit einem Lächeln in die Augen sehe, kann ich den meisten Frauen sagen, dass ihre Schwangerschaft gut voranschreitet und dass sie, sobald der Zeitpunkt der Geburt näher rückt, eingeladen sind, in unserem Wartehaus im Krankenhaus zu bleiben, bis das Baby bereit ist zu kommen. So können wir beiden die besten Lebenschancen geben.

Ein potenzieller Notfall – eine schwangere Frau, die um ihr Leben kämpft

Es ist fast 16.30 Uhr, als ich nach einer geschäftigen Sprechstunde nach Hause gehe. Die Wolken beginnen zuzuziehen, Donner grollt in der Ferne und kündigt den kommenden Regen an.

Bevor ich nach Hause komme, werde ich von Peter, unserem MAF-Agenten, angehalten. Er fragt mich, ob ich von einer schwangeren Frau in Mengau wüsste, die wohl starke Blutungen hat und ins Krankenhaus muss. Mengau ist eine unserer Außenstellen. Es ist sehr abgelegen. Es hat nur das MAF Funkgerät und weder Klinik, Krankenschwester oder Dorfgesundheitshelfer. Niemand kann uns mehr Details über sie geben.

Noch kann mein weit schauen…

Wolken, Gebete und Piloten

Ich werfe einen Blick in den Himmel und frage mich, wie die Frau jetzt noch hierher kommen kann. Ironischerweise wollte ein Gesundheitspatrouillenteam diese Woche Mengau besuchen, aber dieser Besuch wurde aufgrund des schlechten Zustandes des Flugplatzes abgesagt. Ich frage mich noch einmal mehr, ob es überhaupt möglich ist, der Frau zu helfen.

Das MAF-Frauen-Gebetsteam betet schon

Unsere MAF-Piloten sind sehr erfahren, aber manchmal ist es einfach nicht sicher zu fliegen oder zu landen. Etwa eine halbe Stunde später erkundigt sich die MAF-Zentrale nach einem Wetter-Update. Die Sicht hat noch weiter abgenommen und ich sehe nur noch eine kleine Öffnung in den Wolken in östlicher Richtung. Die übliche Route vom Norden her scheint vollständig in Wolken gehüllt.

Doch dann höre ich das vertraute Geräusch eines Flugzeugs. Danke, Gott, dass du unser Gebet erhört und dem Piloten die Fähigkeit gegeben hast, die kleinen Lücken in den Wolken zu finden und die Patientin sicher hierher zu bringen.

Die Sicht wird zunehmend schlechter

Das Rettungsflugzeug landet

Das Flugzeug landet sicher und wir laden die Frau schnell in unseren Krankenwagen. Wir beten weiter, während wir sehen, wie das Flugzeug versucht, auf der nassen Landebahn abzuheben, und fühlen ein Gefühl der Erleichterung, als das Flugzeug in der Luft ist. Es wird immer kleiner und versucht, einen Weg aus dem Tal zu finden. Wir begleiten es mit unseren Gebeten damit der Pilot und einige Mechaniker, die an diesem Tag bereits eine Rettungsmission für ein liegen gebliebenes Flugzeug in einem anderen Landesteil erfolgreich abgeschlossen haben, an diesem Valentinstag nach Hause zu ihren Familien zurückkehren können.

Startposition in Kompiam bei schönem Wetter

Pamelas Geschichte

Pamela* ist schnell versorgt. Sie ist eine frisch verheiratete Frau. Es ist ihre erste Schwangerschaft und in den ersten Monaten schien alles gut zu laufen. Vor ein paar Tagen fingen Blutungen an, die immer stärker wurden, und sie machte sich Sorgen, dass sie sterben würde, wenn ihr nicht geholfen werden könnte. Als wir sie untersuchen, hatte sie eine Fehlgeburt erlitten und tatsächlich einiges an Blut verloren, aber glücklicherweise ist sie nun stabil. Wir scannen sie und sagen ihr, dass sie dieses Baby definitiv verloren hat und geben ihr dann ein Medikament, um ihrem Körper zu helfen, den Rest auszuscheiden. Das mag alles sein, was sie medizinisch braucht, aber wir behalten sie in den folgenden Tagen gut im Auge. Wir sagen ihr, dass vielen Frauen Fehlgeburten passieren und dass dies nicht ihre Schuld oder das Ergebnis von Hexerei ist. Sie soll in Zukunft ohne Probleme schwanger werden können. Wir erzählen von unserem Wartehaus, in dem sie gerne bleiben kann, wenn eine Folgeschwangerschaft eintrifft, damit sie sicher in unserem Krankenhaus statt unbeaufsichtigt in ihrem Dorf gebären kann. Ein Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht, als sie sich sicher und informiert fühlt.

Der nie endende Bedarf an medizinischer Versorgung

Ich gehe an der Aufnahme vorbei, bevor ich wieder nach Hause gehe. Ein kleiner Junge mit einem schmerzenden und geschwollenen Ellbogen ist gerade hereingekommen. Er ist gestürzt und hat große Schmerzen. Wir geben ihm Schmerzmittel und bringen ihn zum Röntgen. Der Ellbogen ist offensichtlich gebrochen, aber zum Glück funktionieren alle seine Nerven und Blutgefäße noch. Wir beschließen, dass dies bis zum nächsten Tag warten kann und bitten die Eltern, ihm kein Frühstück zu geben, damit wir seinen Ellbogen unter Narkose strecken können.

Danke Gott!

Dann mache ich meinen dritten Versuch, nach Hause zu gehen. Diesmal schaffe ich es. Nach dem Abendessen erhalte ich eine Nachricht auf meinem Handy, dass der Pilot und die gesamte Crew sicher nach Mount Hagen zurückgefunden haben. Ich danke Gott für die Erhörung unserer Gebete. Dann hole ich meine Bücher raus. Ich fange besser an, mich darüber zu informieren, wie man Ellbogenfrakturen behandelt…

Der Pilot und seine Frau beim Valentinstag Dinner 🙂

* Namen der Patienten geändert


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