Land und Leute
Zwillinge!
Ich wollte einfach nach der Familie schauen, die Mathias am Samstag aus Anguganak eingeflogen hatte. Sarah, die Frau eines Basemitarbeiters, entschied sich spontan, mitzukommen – nachdem sie mir zuvor ausführlich erklärt hatte, wo ich parken kann und wie ich die Neugeborenenabteilung finden kann. Ich war ganz froh um ihre Begleitung, denn als wir dann dort waren, hätte ich garantiert einen anderen Weg eingeschlagen, so wie ich ihre Beschreibung vorher verstanden hatte… Als wir kamen, kam uns auch gerade der Vater und die ältere Tochter entgegen. Sie hatten gerade das Essen für die Familie zubereitet. Tanim Saksak und Kumugemüse. Als sie uns erkannten, freuten sie sich und ebenso die Mutter. Sie und die Zwillingen waren wohlauf! Praise the Lord!
Im Zimmer, oder besser gesagt im „Saal“ stand ein Bett am anderen, 10 in auf der einen Seite vom Schwesterntisch, weitere 8 auf der anderen Seite. Und dann ums Eck nochmal 8. Von wegen Privatsphäre! Einige Mütter hatten erst an diesem Morgen entbunden. In der Regel hatte jede irgendein Familienmitglied oder Wantok bei sich. In den Krankenhäusern ist nur die medizinische Versorgung gewährleistet. Verpflegung und Hygiene sind Privatsache. Oft schlafen die Angehörigen dann unterm Bett des Patienten, v.a. wenn es keine ortsansässigen Leute sind. Da wird man schon beschämt, wenn man an die deutschen Krankenversorgung denkt. Beschweren wir uns da nicht oft auf einem viel zu hohen Niveau?
Zurück zu den Zwillingen. Es sind zwei Mädchen. Eines ca. 2 kg, das andere etwas weniger. Namen hatten sie noch keine. Das ist nicht ungewöhnlich für Papua Neuguinea. Manchmal warten die Leute ein Jahr, bis sie ihrem Kind einen Namen geben – als Angst, dass es vorher stirbt. Die Kindersterblichkeitsrate beträgt hier 45,9 auf 1000 Lebendgeburten (in Deutschland 3,99/1000). Ich schaute noch an den Betten der anderen Mütter und Babys vorbei. Alle Kinder relativ winzig im Vergleich zu unseren deutschen „Wonneproppen“. In der Zwischenzeit entschieden sich die Eltern, ihre Mädchen nach uns zu benennen. Also darf ich vorstellen: links das ist Sarah und rechts das ist Mandy. Welch eine Ehre! Leider ist unser Compoundbus auf dem Rückweg vollends kaputtgegangen. Jetzt hoffe ich, ich, dass ich mein Versprechen, wiederzukommen, irgendwie halten kann. Außerdem hoffen wir, dass die Familie noch bis Freitag im Krankenhaus bleiben kann, wenngleich es ihnen bereits jetzt schon recht gut geht. Am Freitag hat Mathias einen großen Baumaterial Charter, aber erst beginnend in Anguganak. Also das Flugzeug leer und bereits bezahlt, sodass die Familie einfach mitkönnte…
Willkommen
In Anguganak hat Mathias kürzlich zwei Missionarinnen der Liebenzeller Mission abgesetzt. Von einer Frauengruppe wurden sie herzlich mit Liedern empfangen.
Vom Flugzeug ins Kanu
Letzte Woche hatte Mathias mal wieder einen Trainingstag. Drei weitere Landeplätzen kann ern un anfliegen.
Zwei Passagiere und ein Sarg waren auf diesem Trainingsflug nach Hauna an Bord. Der Verstorbene war ein hoch angesehenes Stammesmitglied, der sich stark für die Entwicklung der Klinik und des Gesundheitssystems in dieser Gegend eingesetzt hat. Der Weitertransport zu seinem Dorf fand im Kanu statt.
Body Charter
Auch das gehört zum Flugprogramm bei MAF: Überführungsflüge.
Hier kam die Caravan von Mt. Hagen nach Wewak. An Bord der Leichnam eines an Krankheit verstorbenen Polizisten und einige Familienangehörige. Im Wartebereich von MAF hinterm Zaun eine große Trauergemeinde. Als das Flugzeug im Überflug bzw. in der Platzrunde über dem Wewaker Flugplatz war, hörte man lautes Schluchzen und Weinen. Das ist die Art der Menschen hier, gemeinsam zu trauern. Oftmals gibt es einsogenanntes „Haus Krai“ in der Nähe der Familienwohnstätte, wo bis zur Beerdigung ständig ein Kommen und Gehen herrscht und Tag und Nacht, sobald jemand neues kommt, das Wehklagen von neuem hörbar wird. Besonders an diesem Bodycharter war eben, dass es einPolizist war. Entsprechend war auch eine Abordnung der Polizei von Wewak da. Der Sarg wurde dann von vier Polizisten geschultert und im Gleichschritt (naja…) zum wartenden Ambulanzfahrzeug getragen. Hierzulande gibt es keine Beerdigungsunternehmen mit entsprechenden Fahrzeugen. Teilweise wird eben die Ambulanz bestellt, teilweise werden ganz normale kleine Trucks verwendet. Beim Krankenhaus gibt es den sog. „Mog“, dort werden die Leichen gegen eine kleine Gebühr bis zur Beerdigung aufbewahrt. Große Friedhöfe, wie wir sie kennen, haben wir bislang noch nicht gesehen. Viele werden an ihrem „Ples“ begraben (ohne große Bürokratie). Gelegentlich sieht man aber auch so etwas wie einen Friedhof. Das Land gehört einem „Papa graun“ und den bezahlt man dann entsprechend.
Aber dann heißt es oftmals zuerst, das Grundstück etwas zu säubern und von Wildwuchs zu entfernen. Das Grab wird dann auch selbst ausgehoben und für die Beerdigung vorbereitet – das weiß ich von meiner Hausmeri, die kürzlich hier eine Tante zu Grabe getragen hat. Wessen Familie Geld hat, sieht man dann an den entsprechenden Grabüberbauten.
Kakao
Kakao wird so ziemlich in ganz PNG angebaut. Wir haben die Bäume hier an der Küste aber ebenso auch im Hochland gesehen. Kakaobäume blühen das ganze Jahr und tragen auch über das ganze Jahr Früchte.
Die reifen grüngelb bis roten Früchte können bis zu 30 cm lang werden. Bis zu 50 Kakaobohnen können in einer Frucht sein.
Manche Dörfer im Busch haben eine eigene Kakaofermenterie. Wir haben jeweils schon eine in Munduku und in Timboli gesehen. Die Fotos hier sind von Lumi. Der Name Fermenterie ist eigentlich irreführend, denn die Fermentation findet schon vorher statt, wenn das weiße Fruchtfleisch vergärt und nur noch die Bohnen übrigbleiben.
Die Dorfleute bringen ihre Ernte zur Fermenterie, was schlussendlich ein Trockenofen ist, und bekommen entsprechend der Kilos ihre Kinas. Die getrockneten Bohnen werden dann in der nächstgrößeren Stadt an entsprechende Händler verkauft. In Lumi haben wir erfahren, dass unfermentierte Bohnen für 1,80 Kina und getrocknete für 4,60 Kina abgenommen werden. Da lohnt es der Arbeit schon! Die Bohnen werden erst eine Woche lang in großen Holzbottichen von ca. einem Kubikmeter gelagert und immer wieder umgeschichtet. Dann wird der „Ofen angeschmissen“ und die Bohnen werden auf einem Rost über dem Feuer ausbereitet.
Nun wird zwei Tage durchgeheizt. Zwischendrin werden die Bohnen immer wieder mit dem Rechen umsortiert. Übrigens: Nach schokolade duften die Kakaobohnen noch lange nicht. Meines Erachtens haben sie sogar einen eher unangenehmen Geruch (und Geschmack…)
Baumkängurus und manches mehr
Im Folgenden ein paar Highlights unseres Aufenthalts.Da wären zuallererst natürlich die Baumkängurus. Zurzeit sind es acht auf der Station. Weltweit gibt es wohl 14 verschiedene Arten.Dieser hier ist ein
GRIZZLED TREE KANGAROO
WEIMANG TREE KANGAROO
Nach zwei Nächten, guter Erholung, netten Begegnungen und leckerem Busch- und Dosenessen gings am Samstagmorgen wieder zurück nach Wewak.Mathias war eine Weile beschäftigt mit den Daily Check, beobachtet von einigen Dorfleuten und im Speziellen von den Polizisten. Diese haben nämlich die Tage auf das Flugzeug aufgepasst. Aber der Hammer war: Sie wollten über 800 Kina für ihren Dienst. Frechheit! Wir haben sie zumindest noch auf 300 runterhandeln können, was immer noch wesentlich zu viel war. Das nächste Mal wird vorher ein Vertrag gemacht und unterschrieben! Jaja, so zahlt man sein Lehrgeld…Im Weggehen haben wir sie noch reden gehört, dass sie nun jede Menge Bier kaufen können. Wie traurig! Nichts wird wohl bei Frau und Kindern davon ankommen, nur ein stockbesoffener Mann. Leider ist das hierzulande gängige Praxis, dass das Gehalt sofort versoffen wird von vielen. Der Wohlstand hat seinen Preis, aber selbst zu Zeiten des Alkoholverbots gibts genug Betrunkene, denn dann wird vermehrt Selbstgebrautes getrunken.Da ist es immer wieder ein Lichtblick, wenn man zwischendurch doch auch vernünftige Papua Neuguinesen trifft, wie zum Beispiel die Mitarbeiter in Lumi oder auch die Angestellten bei MAF oder Leute in der Gemeinde. Aber der Schritt, der Versuchung zu erliegen, ist leider nur ein kleiner. Betet mit, dass es immer mehr Leute in PNG schaffen, aus den Fängen des Alkohols rauszukommen und sich um ihre Familien sorgen sowie für ihr Land einstehen.
Ein etwas anderer Gottesdienst
Außerdem erhielt die Kirchengemeinde des Campus an diesem Tag eine neue Garamut. Das ist eine Trommel, mit der zum Gottesdienst eingeladen (getrommelt bzw. geläutet…) wird.
Der Gottesdienst und die Übergabe der Garamut waren begleitet von traditionellen Sing Sing Prozessionen verschiedener Provinzen, aus denen die Studenten kamen. So wurde die Garamut von ihrem Hersteller durch ein Schwein, Buai-Dolden und Kulaus „abgekauft“ und sogar noch darüber hinweg getragen. Während des Gottesdienstes wurde sie geweiht, besprochen und benamt (nun ja, etwas seltsam irgendwie…). Einzelne Gottesdienstelemente wurden auch durch Prozessionen umrahmt, so zum Beispiel wurde die Bibel von einer Sing Sing Gruppe zum Altar vorgesungen bzw. -getragen; ebenso das Opfergeld.
Was uns wirklich auch beeindruckt hat und was wirklich Spaß gemacht hat, war die Musikband, die in typisch südländischem Rhythmus die Anbetungslieder begleitet hat.
Umlagert
Da sitzen wir Samstagmorgen gemütlich am Frühstückstisch und sehen, wie ein großer PMV-Truck nach dem anderen vor unserm Compound hält und von jedem zig Frauen herunterspringen und sich schön sortiert vor unserm Compound sammeln. Sortiert nach Farben ihrer Kleidung: alle tragen sie die für PNG-Frauen typische Meriblaus, ein weit geschnittenes Kleid mit Puffärmeln. Sie tanzen und singen und wir hören, dass es christliche Lieder sind, die sie da aus voller Kehle singen. Irgendwann hält es uns nicht mehr bei unserm Hefezopf und wir gehen vors Gate, um genauer su schauen, was denn der Grund für diese Menschenansammlung ist, denn die Plakate können wir aus der Distanz und durch die Moskitonetze vor unseren Fenstern nicht entziffern. Es stellt sich heraus, dass sich die Frauen der Assembly of God-Gemeinden aus den beiden Sepikprovinzen für eine Woche in Wewak getroffen haben. Und nun sammeln sie sich, um den Namen Jesu in den Straßen von Wewak auszurufen. Bis alle versammelt sind, vergehen gut eineinhalb Stunden. Dann startet der scheinbar endlose Zug in Richtung Innenstadt, eskortiert vorn und hinten von der Polizei. Wir schätzen, dass es sicher über 1000 Frauen waren. Sehr beeindruckend! Und wir fragen uns: Welche Gemeinde in Deutschland wäre so mutig, den Namen Jesu durch die Straßen der eigenen Stadt in einem fröhlichen Marsch zu tragen? Und das sogar bei Regen…
Hausbau im Busch
Beim Schulleiter der Bibelschule wurden wir auf eine Tasse Tee eingeladen und so hatten wir die Möglichkeit, solch ein Haus Morota auch einmal von innen zu sehen. Alles wirklich hundertprozent Buschmaterial! Die Häuser stehen in der Regel einen guten Meter erhöht, also auf dicken Holzpfosten. Komplette Pfahlbaukonstruktionen. Der Boden aufgespaltene Rinde, nicht ganz dicht – hat den Vorteil, dass beim Ausfegen der Dreck gleich durchrieselt ;o) Die Räume sind durch Zwischenwänden aus geflochtenen Grasmatten voneinander getrennt, oftmals mit einem zweifarbigen Muster. Als Zimmertür dienen Vorhänge. Die Haustür ist in der Regel massiv. Möbel sind selten. Geschlafen wird auf dem Boden auf dünnen Grasmatten oder, wer es sich leisten kann, auf einer dünnen Schaumstoffmatratze. Das sind einige der Familienwohnhäuser der Bibelschule. Die Bibelschule gehört zur PIM, Pacific Island Ministries, die eng mit der Liebenzeller Mission zusammenarbeitet. Hier gibt es eine zweijährige Ausbildung und anschließend wird man – je nach Berufung – zum Pastor, Evangelisten, Sonntagsschulkoordinator etc. Zurzeit studieren hier sieben Männer und eine Frau. Alle wohnen mit ihren Familien auf dem Gelände und sind auch da verantwortlich, ihr Haus in Schuss zu halten. Gestaunt haben wir über einen älteren Mann aus Okisai, wie rüstig und agil er Pfähle aus dem Busch geholt hat, um den Eingangsbereich seines Häuschens auf Zeit zu erweitern.